Vom Urinkosten zum Bio-Chip
Frieder W. Scheller
Professur für Analytische Biochemie,
Institut für Biochemie & Molekulare Physiologie, Universität Potsdam
BioHytech Potsdam / Luckenwalde
Das vierte Leibnizkolleg befaßt sich mit molekularen Werkzeugen und Maschinen an der Schnittstelle zwischen Physik und Biologie.
Die lebende Zelle besitzt eine Vielzahl von Funktionseinheiten , die durch die Wechselwirkung mit der Umgebung in der Evolution optimiert wurden. Eine der hervorstechenden Leistungen ist die hohe Empfindlichkeit und Trennschärfe bei der Erkennung chemischer Substanzen. Die molekularen Grundlagen dafür liegen in der ausgefeilten strukturellen Paßfähigkeit für das "Signalmolekül" und die angekoppelten Verstärkung des "Eingangssignals".
Neben dem Erfassen von "Schwellwerten" erfolgt auch häufig eine quantitative Bewertung des Signals.
In der Zelle erfolgen weiterhin eine chemische Umsetzung aber auch der mechanische Transport, d.h. das Manipulieren einzelner Moleküle. Die Natur bietet damit originelle Prinzipien und Maschinen auf molekularem Niveau für die technologische Nutzung der Funktionskette
Erkennen – Zählen – Manipulieren.
Die beiden Funktionen der Sinnesorgane, Erkennen und Zählen (Quantifizieren) sind die Grundoperationen der Analytischen Chemie.
Das hochempfindliche Erfassen giftiger Substanzen ist eine wichtige Aufgabe in der Umwelt- und Lebensmittelüberwachung. Zur Diagnose von Erkrankungen bestimmt der Arzt "Markersubstanzen", z.B. den Blutzucker und das Insulin bei der "Volksseuche" Diabetes.
Seit altersher setzt der Mensch seine Sinnesorgane, wie Geschmack und Geruch, zur Erkennung solcher Substanzen ein. So war es im Mittelalter ein geübter Brauch, daß der Arzt den Urin des Patienten nicht nur beschaute, sondern gegebenenfalls auch kostete.
Mit der Entwicklung der Chemie standen zu Beginn des 20. Jahrhunderts empfindliche Reagenzien zur Verfügung, z.B. für die Blutzuckerbestimmung. Im Vortrag wird dazu die Entfärbung einer blauen Flasche durch Zucker demonstriert.
Aber erst die Nutzung biologischer Erkennungssubstanzen brachte den Durchbruch in der Klinischen Chemie und in der Umweltanalytik. Stoffwechselprodukte, wie Glucose, und Gifte, z.B. Nervengifte, können mit Enzymen hochspezifisch erfaßt werden. Als Beispiel wird die einfache Messung von Blutzucker mit einem Biosensor-Gerät demonstriert.
Für die Spurenanalytik, z.B. in Trinkwasser, reicht das Potenzial von Enzymen nicht mehr aus. Hier greift der Bioanalytiker auf Antikörper zurück. In einem Video wird der Bindungsvorgang bei einem Immunosensor dargestellt und mit einem "Wischsensor" ein Koffer auf Kokainspuren überprüft.
Die bevorstehende Aufklärung der menschlichen Erbinformation hat das öffentliche Interesse auf das Gebiet der Nukleinsäureanalytik gelenkt. Für diesen Bereich wird eine zur Mikroelektronik vergleichbare Bedeutung prognostiziert. Im Vortrag werden die Grundlagen für den DNA-Chip erläutert und ein neuartiger Chip-Analysator vorgestellt.